Das Institut für Psychodrama Szenen wurde 1991 nach langjähriger Erfahrung in der Psychodrama-Weiterbildung gegründet.

Im Curriculum von Szenen sind die Erkenntnisse daraus verwirklicht. Da Szenen ein kleines Institut ist, sind Neuerungen schnell realsisierbar. Dies ermöglicht ein durchdachtes und flexibles Curriculum und ein kleines, aber gut sortiertes Fortbildungsprogramm. Bei Szenen erwartet Sie ein erfahrenes, gut eingespieltes Team von Trainern und Trainerinnen. Hier macht Lernen Spaß.

Das Institut Szenen ist korporatives Mitglied des DFP/DAGG (Deutscher Fachverband für Psychodrama / Sektion im Deutschen Arbeitskreis für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik), Mitglied der „Föderation der Deutschen Psychodrama-Weiterbildungs-Institute“ und der FEPTO (Föderation europäischer Psychodrama-Trainingsorganisationen).

Zielsetzung:

Das Institut für Psychodrama Szenen will das moderne Psychodrama praktisch und theoretisch fördern, präzisieren und weiterentwickeln. Basis ist das klassische Psychodrama Jakob L. Morenos, ergänzt durch umfangreiche Entwicklungen und Erfahrungen in dieser Methode.

Das Institut unterstützt die vielfältige Anwendung des Psychodramas in unterschiedlichen Berufsbildern und Szenen. Es setzt für seine Arbeit folgende Schwerpunkte:

Seit dem 01.01.2020 hat das Szenen-Institut ein neues Leitungsteam. Andrea Winker und Stefan Flegelskamp, die das Institut seit 2011 leiten, haben Dr. Frank Sielecki Anfang des Jahres in das Leitungsteam geholt.
Damit ist das Dreigestirn vollständig. Alle drei waren bereits zuvor seit vielen Jahren im Szenen-Rat, der Planungsgruppe des Instituts, tätig.

Die Vergrößerung des Leitungsteams entspricht der allmählichen Vergrößerung des Instituts: Vor allem internationale Weiterbildungsgruppen im Kinderpsychodrama und vielfältige Fortbildungsangebote in neuen Anwendungsfeldern sind über die Jahre hinzugekommen.

Agnes Dudler, die das Szenen-Institut 1991 gegründet und bis 2011 geleitet hat, bleibt vor allem in beratender Tätigkeit dem Institut verbunden. In der Rolle als Gruppensupervisiorin gibt sie weiterhin ihr Wissen an die Weiterbildungskandidat-innen weiter und sorgt somit für den Feinschliff.

In unserem Curriculum finden Sie alles Wissenswerte rund um die Psychodrama Weiterbildung sowie weitere Informationen zu Szenen.

Es unterteilt sich inhaltlich in folgende Schwerpunkte:

  • Zielsetzung
  • Das PSYCHODRAMA
  • Weiterbildung in PSYCHODRAMA-Therapie und -Leitung
    • Allgemeines
    • Teilnahmevoraussetzungen
    • Struktur der Weiterbildung
    • Übersicht der Weiterbildungsstruktur
    • Weitere Informationen zur Weiterbildung
  • Auszug aus den Weiterbildungsrichtlinien des DFP/Sektion PSYCHODRAMA (DAGG)
  • Fortbildung und Supervision
  • Leitung des Instituts
  • Gastdozentinnen und -dozenten
  • Supervisorinnen und Supervisoren
  • Vertrags- und Teilnahmebedingungen
  • Gebühren für die Weiterbildung
  • Literaturhinweise
  • Allgemeine Geschäftsbedingungen

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Unser vollständiges Curriculum können Sie im PDF-Format herunterladen.

Curriculum (267 KB)

Aichinger, Alfons

Dipl.-Psych., Leiter der Psychologischen Beratungsstelle des CV Ulm

Birth, Gabi

Dipl.-Päd. und Dipl.-Psych., Mitleiterin der Beratergemeinschaft Birth&Lüffe: Institut für psychologische Beratung, Fortbildung und Supervision und der Psychodramatischen Bühne Hamburg-Darmstadt, Darmstadt

Buer, Ferdinand

Prof. Dr. phil., Universität Münster, Sozial- und Erziehungswissenschaftler, Leiter des PSYCHODRAMA-Zentrums Münster, Supervision, Fortbildung, Organisationsberatung, Münster

Dudler, Agnes

Psychologische Psychotherapeutin in freier Praxis in Bonn, Gründerin des Szenen Institutes, Weiterbildung, Supervision, Genderthemen, Großgruppen

Ensel, Dorothea

Dipl.-Päd., Psychodramalehrtherapeutin, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Stuttgart

Hutter, Christoph

Dr. theol., Dipl.-Päd., Erziehungsberatung, Weiterbildung, Training und Supervision, Münster

Ilbrink, Jacomien

Psychodramaleiterin, Soziometrie in Gruppen und Organisationen, Head of Pife international, Niederlande

Kern, Sabine, Mag.ª

MSc, Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin der Fachrichtung Psychodrama, Soziometrie und Rollenspiel mit akademischem Abschluss, Lehrtherapeutin der im ÖAGG und der Donau-Universität-Krems, Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie, Autorin des Lehrbuchs Psychodrama. Eine Einführung, Wien, Österreich

Münzel, Brigitte

Diplom-Religionspädagogin, Psychotherapie (HPG), Prävention und ambulante Psychotherapie Drogenabhängiger, Fortbildung und Supervision, Köln

Mutafchieva, Milena

Prof. Dr. Psychologin, Psychodramaweiterbildungsleiterin Hiron, Universität Sofia, Bulgarien

Neumann, Eckhart

Dipl.-Psych., (Lehr-)Psychoanalytiker (DGPT), freie Praxis für Psychotherapie in Bonn, Fort- und Weiterbildung, Spezialgebiet: Kunst und Psychoanalyse

Osse, Cecile

Psychodramaleiterin, Organisationsentwicklung, Coaching und Supervision, Antwerpen

Riepl, Roswitha

Psychodramalehrtherapeutin, Organisationsentwicklung, Supervision und Psychotherapie, Wien

Rothfeld, Alfons

Dr. med., Psychiater und Psychotherapeut, Königswinter

Stiegler, Gabriele

Dipl.-Psych., Psycholog. Psychotherapeutin, Beratung, Coaching und Psychotherapie in freier Praxis, Supervision und Personalentwicklung, Leitung des Psychodrama-Forum Berlin

Verhofstadt, Moira

Psychotherapeutin (EAP), MA Psychodrama (NL), klinisches Psychodrama Training, Supervisorin, Gründerin des Zentrums für Psychotherapie und Psychodrama, Mitgründerin des Vereins Touché, Beratung in der Arbeit mit Kindern, Pittem, Belgien

Vogelbach-Woerner, Verena

Dr. phil., Diplom-Psychologin, Mitbegründerin des Frankfurter Zentrums für Eßstörungen, freie Praxis, Gelnhausen

Wegener, Erika

Diplom Pädagogin, Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeutin, Psychodramaleiterin, Supervisorin (DGSV) freie Praxis in Köln

Weiß, Kersti

Diplom-Psychologin, Klinische Psychologin, Psychotherapeutin (GwG), Supervisorin (DGSv), Lehrsupervisorin, Psychotherapie und Supervision, Frankfurt

Windgassen, Ulrike

St`R (Deutsch und Politik), Beratung, Moderation und Supervision, Bonn

e. a.

Trauma-Stabilisierung für Flüchtlingsfamilien – Innovationsprojekt 2017-2019

Evidence Based Trauma Stabilization (EBTS) besteht aus zwei innovativen Produkten zur Stabilisierung traumatisierter Kinder und deren Flüchtlings-, Asyl- und Immigrantenfamilien. Das EBTS-Programm leitet einen ersten Trauma-Stabilisierungsprozess für Flüchtling, Asylsuchende und Immigrantenfamilien ein. In dem EBTS-Training lernen Psychologen, Sozialarbeiter, Pädagogen und andere Fachleute, das EBTS-Programm in Gruppen mit Flüchtlingsfamilien durchzuführen.

Dieses Projekt ist in der gegenwärtigen Notwendigkeit einer effektiveren Arbeit mit Flüchtlings-, Asylsuchenden und Immigrantenfamilien geboren. Die europäische Situation ist eine Herausforderung, und als Profis müssen wir neue Wege finden, um die Integration von Flüchtlingen in unsere Gesellschaft zu unterstützen. Ein Weg dies zu ermöglichen ist, konstruktive Beziehungen zwischen Kindern und Eltern zu unterstützen und Resilienz in den Familien zu entwickeln. Fast alle Flüchtlings-, Asyl- und Immigrantenfamilien haben eine Art Trauma-Erfahrung in ihrem ursprünglichen Land oder auf dem Weg zum Zielland.

Ziel des Projektes ist die Schaffung und Implementierung eines Evidence Based Trauma Stabilization (EBTS) Trainings und Programms, welches die Fachkompetenz von Spezialisten, die mit Flüchtlings-, Asylsuchenden und Immigrantenfamilien arbeiten, erweitert.

Die Ziele des Projekts sind die Gestaltung des EBTS-Trainings und des EBTS-Programms sowie deren Evaluierung. Der Kerninhalt des EBTS-Trainings umfasst die Einarbeitung in das EBTS-Programm, Psycho-Edukation und die Verbesserung der Fähigkeiten zur Psycho-Hygiene und Selbstversorgung. Das EBTS-Programm basiert auf der Kombination zwischen der Behandlung von Erwachsenen- und Kindertrauma gleichzeitig und dem Aufbau von Grundkenntnissen, wie man mit Trauma umgehen kann.

EBTS-Training und EBTS-Programm werden in Deutschland, Finnland und Bulgarien umgesetzt. Partnerorganisationen in diesem Projekt sind:

  • Helsinki Psychodrama Institut / Istry Oy (Koordinator, Finnland)
  • Szenen Institut für Psychodrama (Deutschland)
  • Zentrum für Kinderentwicklung und psychologische Beratung Cognitiva (Bulgarien)
  • Neue bulgarische Universität (Bulgarien)
  • SKM Köln-Sozialdienst Katholischer Männer e.V. (Deutschland)
  • Staatliche Agentur für Flüchtlinge mit Ministerrat (Bulgarien)
  • Finnische Familientherapie-Vereinigung (Finnland)
  • FEPTO (Föderation der europäischen Psychodrama-Trainingsorganisationen, assoziierter Partner, Belgien)

Die Entwicklung und Forschung der beiden innovativen Produkte wird 2017-2019 von Erasmus + Erwachsenenbildung finanziert: Kooperation für Innovationen und Austausch bewährter Praktiken in transnationalen strategischen Partnerschaften (2017-1-FI01-KA204-034785).

Für mehr Informationen:

Evidence Based Trauma Stabilization (EBTS) (2017-1-FI01-KA204-034785)

Das Projekt wird finanziell von der Europäischen Kommission unterstützt. Diese Publikation gibt nur die Sichtweisen der Autoren wieder, dabei übernimmt die Kommission keine Verantwortung für die Inhalte der Veröffentlichung.

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  • Halbzeitanalyse „Szenen in Gaza“
  • November 2015 „Szenen in Gaza“
  • Februar 2015 „Szenen in Gaza“
  • Mai 2014 „Szenen in Gaza“
  • Herbst 2013 „Szenen in Gaza“
  • Mai 2013 „Szenen in Gaza“
  • Juli 2012 „Szenen in Gaza“

Eine persönliche „Halbzeitanalyse“ von Stefan Flegelskamp

„Indem der Geheilte dem irren Ganzen sich anähnelt, wird er erst recht krank, ohne dass doch der, dem die Heilung misslingt, daran gesünder wäre.“ Th. Adorno

Man soll nicht mit einem langen und dann auch noch schwierigen Zitat anfangen, aber dies ist für mich die zentrale Frage nach jeder Reise. „Konnten wir den traumatisierten palästinensischen Psychotherapeutinnen und Therapeuten wirklich helfen, traumatisierten Kindern zu helfen, ohne selber daran zu verzweifeln?“

Zu Beginn des Projektes plagten mich Zweifel, ob unsere westeuropäische Therapiemethode Psychodrama Wirksamkeit in der orientalischen Behandlungskultur entfalten kann. Mit Kindern zu spielen, ihnen in ihre kindlichen Symbolwelt zu folgen bedeutet, die Verzweiflung und Ohnmacht auszuhalten und dabei Hoffnung wecken: Die Angst des Hasen vor der Schlange spielerisch zu erleben oder gemeinsam Drachen zu besiegen. Spielend Kinder heilen und das in Gaza, dem größten Gefängnis der Welt. Das ist doch Größenwahn und nur ein Tropfen auf den glühenden Stein des Nahenostens, sagen die inneren zweifelnden Stimmen; aber gleichzeitig schaue ich in die Gesichter der teilnehmenden Kolleginnen und Kollegen und höre was sie sagen und tun und meine Überzeugung, es hilft und wirkt wird spürbar. Genauer gesagt, unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben das Gefühl, Kindern zu helfen und sie erleben Selbstwirksamkeit in der Therapeutenrolle, indem sie die gelernten Psychodramatechniken anwenden.

Meine sechs Reisen nach Gaza im Auftrag von Medico International Schweiz innerhalb von drei Jahren haben mich gelehrt, was Trauma im Alltag bedeutet. Es geht in Gaza in erster Linie nicht darum, therapeutische Stabilisierungstechniken zu vermitteln oder offensive Trauma-Exploration bei Betroffenen durchzuführen, sondern zu erleben und zu bezeugen, was es bedeutet Kriegsopfer zu sein; und das vor dem Hintergrund dieser trügerischen Normalität in Gaza, gastfreundlichen Menschen, orientalischen Gerichten und dem blauen Meer. Ich fühlte mich bei einer Reise bedroht in Gaza, komischer Weise ganz anders als in deutschen Großstädten und doch ist überall diese Angst und Hilflosigkeit zu spüren. Ich fahre immer gerne nach Gaza, natürlich verbunden mit dem guten Gefühl etwas bewirken zu können, aber noch lieber verlasse ich Gaza nach einer Woche wieder. Die Verarbeitung des Erlebten braucht immer mehr als eine Woche, diese Verzweiflung und Ohnmacht frisst sich in meine Träume und Gefühle. Manchmal macht sich ein schlechtes Gewissen breit, einfach so (aus)reisen zu können, Wasser und Strom zu nutzen und Freiheiten zu haben ohne sich dessen bewusst zu sein.

Nach drei Wochen Kinderpsychodramaweiterbildung haben unsere Kolleginnen und Kollegen gelernt, wie man mit ängstlichen und aggressiven Kindern spielt, was die entwickelten Symptome bedeuten und welches Vermeidungsverhalten und welche Bedürfnisse Kinder ausdrücken. Wie sich traumatisches Erleben der Kinder im Spiel wiederfindet und welche Antworten gegeben werden können. Wie nützlich imaginierte und gespielte Heldinnen- und Heldenrollen sein können im Alltag. Wie hilfreich Gruppen sind bei der gemeinsamen Verarbeitung des Schreckens.

Die teilnehmenden Therapeutinnen und Therapeuten genießen diese Wochen sichtlich; das Psychodrama und diese Gruppe ist unser „Safe Place“ in Gaza.

Und was ist mit uns, den Helfern? Werden wir gesünder? Ich glaube schon, trotz aller psychischen und körperlichen Belastung gibt es doch eine spürbare, durchdringende Sinnhaftigkeit des eigenen Handelns. 25 palästinensische Kinderpsychodramatherapeutinnen und -therapeuten werden in Zukunft mit einigen tausend Kindern spielen.

Helfen Sie uns dabei …

November 2015 „Szenen in Gaza“ –
Ein Reisebericht von Stefan Flegelskamp

Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen. (Guy de Maupassant)

Die Neue…

Die dritte Weiterbildungswoche „unserer“ Gruppe sollte die therapeutischen und psychodramatischen Interventionen mit ängstlichen und aggressiven Kindern im Fokus haben.

Erstmals begleitete und unterstützte unser Projekt Dorothea Ensel, Psychodramaleiterin, Kinder- und Jugendlichentherapeutin und Geschäftsführerin des Moreno Institut Stuttgart. Denn unsere Grundidee war, dass unsere palästinensischen Kolleginnen unterschiedliche Leiterinnen und Leiter und deren Leitungsstile kennenlernen sollten.

Schöne Idee, aber das bedeutete auch, zum ersten Mal ohne Agnes und dafür mit Dorothea nach Gaza zu reisen. Sorgfältig hatten Dorothea und ich versucht, uns auf die Reise vorzubereiten. Meine persönlichen Erlebnisse verbunden mit der Geschichte des Projektes wurden mehrmals besprochen, aber es wurde schnell deutlich, dass ich etwas erklären wollte, was kaum zu erklären ist.

Einerseits die erlebte Normalität der Palästinenser in Gaza, welche ich mit ihrer unermüdlichen Gastfreundschaft, den erlesenen Speisen und dem wunderbaren Meerblick verbinde und gleichzeitig befinden wir uns im größten Gefängnis der Welt, welches in kurzer Zeit drei Kriege erlebt hat und unter dessen Folgen – und noch mehr unter deren Auswegs- und Hoffnungslosigkeit – die Menschen still leiden.

Die Anreise stellte für mich ein schon wohlbekanntes und unliebsames Ritual dar, mit immer denselben Fragen der israelischen Beamten und denselben Antworten.

Wieder mal Tel Aviv, diese lebendige, freche Stadt, das letzte Bier am Strand (kein Alkohol in Gaza) und dann das Treffen mit israelischen Kollegen, diesmal mit Yaacov Naor. Eine wichtige Begegnung für alle Beteiligten, um den herzlichen Kontakt mit der anderen Seite des Konfliktes nicht zu verlieren. Die Einreise dann nach Gaza über Erez weckte bei Dorothea viele Deutsch-Deutsche Grenzerinnerungen.

Es war mein sechster Besuch und meine sechste Woche in Gaza in den vergangenen drei Jahren und es kam mir so vor, als hätten die Menschen in Gaza beschlossen, mich nun als Freund und nicht mehr als Gast zu behandeln: Der motorisierten Kofferträger an der Grenze, der Taxifahrer, der Kaffeekocher im Center, der Ladenbesitzer und immer wieder unser würdevoller Gastgeber Abu Akram.

Menschen die sich von Herzen freuen, nicht unsere Gruppenmitglieder, sondern Menschen auf der Straße die uns wiedererkennen und glücklich strahlen. „Ihr seid wieder da“, was mich an einen Satz von Agnes erinnert, dass Menschen nur Vertrauen lernen können, wenn Menschen wiederkommen.

Die erste Begegnung mit unsere Weiterbildungsgruppe: 20 palästinensischen Frauen und 5 Männer. Die erste Frage: Wie können wir unserer Freude Ausdruck verleihen, ohne Händeschütteln und Berührungen? Also alle Gesichtsmuskeln in Aktion und den Augenkontakten halten und die Freude des Wiedersehens erleben und ausdrücken.

Himalaya – Expedition gerät in Bergnot

Der Einstieg in die gemeinsame Seminarwoche stellt mich immer wieder vor das schon beschriebene Phänomen Normalität versus Verzweiflung. Das Leben muss weitergehen, Resilienzen sind gefragt und hoch im Kurs, lass uns nicht zurück schauen sondern zeige uns, wie wir weiter arbeiten können.

Nach der Anwärmung begannen wir mit der „Himalaya- Expedition“. Einem pädagogischen, psychodramatischen Gruppenspiel für Schulklassen. Dabei wird die Geschichte und Spielidee vorgegeben und den Schülern erzählt, welche dann gemeinsam mit der LehrerIn nachgespielt werden. Die Geschichten handeln von spannenden Abenteuern, in denen aber auch Notsituationen durch Kooperation gemeistert werden müssen. Im Himalaya-Spiel stürzen furchtlose Bergsteiger, nachdem sie den Gipfel mit letzter Kraft erreicht haben, ab und benötigen Hilfe von mutigen Ärzten und dem tollkühnen Hubschrauberpiloten. Beim Pyramidenspiel retten einheimische Beduinen ausländische Forscher, die in einer Pyramide verschüttet wurden. Kooperation und sich gegenseitig helfen wird in den Schulklassen anhand der Geschichten erlebbar, das besondere Highlight stellt die mitspielende Lehrerin dar.

Piraten haben hier nichts zu suchen

Ein weiteres zentrales Thema stellte die therapeutischen Interventionen bei ängstlichen Kindern in der Psychodramakindergruppentherapie dar. Kinder in ihrer Angst anzunehmen und ihnen gleichzeitig Halt und Orientierung zu geben, stellt dabei die Herausforderung für die Therapeutinnen dar. Die Teilnehmerinnen sollten zu Beginn einen Rollentausch mit einem ängstlichen Kind, das sie gerade therapeutisch behandeln, vollziehen. Danach meldeten sich vier Teilnehmerinnen, welche „ihr“ Kind in der Psychodramagruppentherapiestunde spielen wollten.

Nach den bekannten Schritten wurde das Thema Kreuzschifffahrt von den Kindern gewählt. Kapitän, Schiffskoch und Erster Offizier arbeiten auf einem luxuriösen Schiff, auf dem auch eine berühmte Prinzessin und ein ängstlicher Passagier mitreisen. Auf einer Insel lebt ein gemeiner Pirat mit einem großen Goldschatz. Der Kapitän und der Schiffskoch konnten nach siegreichem Kampf den Piraten gefangen nehmen. Am Ende der Spielsituation wehrte sich das ängstliche Kind (Passagier), den gefährlichen Piraten an Bord des Kreuzfahrtschiffes aufzunehmen. Dabei wurde sie unterstützt und ihre Abgrenzungsleistung gewürdigt. Wir versuchen anhand des im Symbolspiel ausagierten Angstthemas den Kindern zu vermitteln, dass Angst zunächst ein positives Gefühl mit Schutzfunktion darstellt, aber es werden auch Strategien spielerisch erprobt, um die gefährliche Situation zu meistern.

Gemeinsam den Drachen besiegen

Mit der gleichen Haltung wurde am nächsten Seminartag der Umgang mit aggressiven Kindern in der Psychodramagruppentherapie geschult. Drei vor Kraft strotzende Tiger und zwei mutige Gladiatoren kämpften in einer Arena ums Überleben und natürlich um Ruhm und Ehre. Dabei zielen die Interventionen auf die Stärkung der aggressiven Kinder ab, da aggressives Verhalten meist die Funktion hat, (Versagens-) Ängste abzuwehren

„Du bist stark, du bist stark, du bist stark, aber auch schlau“, ist die unterstützende Intervention bei Kindern mit aggressiven Verhalten. Im Spiel kämpften alle Kinder gemeinsam gegen den unbesiegbaren Drachen und gewannen nach zähem Kampf. Die Kinder spielenden Kollegen genossen ihre im Kampf erlebte Kraft und Selbstwirksamkeit.

Selber leiten

Die Höhepunkte dieser Weiterbildungswoche stellten die ersten Leitungsversuche der Teilnehmerinnen dar. Fast selbstverständlich wendeten sie die einzelnen Schritte zur Spiel- und Rollenfindung an. Die veranschaulichten Interventionen bei den unterschiedlichen Kindern wurden direkt angewendet und reflektiert. Mit großer Spielfreude, Mut und Respekt wurde die Leitungsrolle erkundet.

Für mich war es sehr bewegend zu sehen, wie gut die ersten Leitungsversuche gelangen. Die Prinzipien wurden verstanden und nun heißt es üben, üben, üben …

Überaus zufrieden, gestärkt und freudig beendeten wir die Woche.

Und wie geht es weiter?

Dieses letzte Kapitel fällt mir schwer zu schreiben. Perspektiven für die Menschen in Gaza. „Wir haben keine Idee und Hoffnung mehr, aber bitte keinen Krieg mehr. Mein Kind ist jetzt 6 Jahre alt und hat schon 3 Kriege erlebt“, sind Sätze, die wir in unserer neu entdeckten Kaffeebar „Golden Mill“ hörten. Der 27 Jahre alte Kaffeebarbesitzer ist gleichzeitig Dozent an der Uni in Gaza, lehrt Ökonomie, röstet den Kaffee selber und verkauft auch Gewürze und Kräuter.

Die Kolleginnen sind nun in der Mitte der Weiterbildung angekommen, es werden noch weitere zwei Seminarwochen 2016 und eine Abschlusswoche 2017 stattfinden.

Wir werden versuchen, zwei Kolleginnen aus Gaza zu unserer Kinderpsychodramakonferenz 2016 nach Basel einzuladen.

Wir werden auf Tagungen von den Kollegen erzählen und über die Gastfreundschaft der Palästinenser Artikel schreiben.

Weitermachen, wiederkommen, nicht wegschauen.

Auch Dorothea will wiederkommen.

Jedes vierte Todesopfer des Gaza-Krieges ist ein Kind

UNICEF: 500 tote Kinder im Gaza-Krieg
Bekannte Todesopfer im Gaza-Konflikt

Stand Palästinenser Israelis Gesamtzahl
09.07.2014 35 0 35
10.07.2014 80 0 80
11.07.2014 114 0 114
12.07.2014 126 0 126
13.07.2014 168 0 168
14.07.2014 178 0 178
15.07.2014 194 0 194
16.07.2014 214 1 215
17.07.2014 230 1 231
18.07.2014 268 2 270
19.07.2014 336 5 341
20.07.2014 375 20 395
21.07.2014 479 27 506
22.07.2014 599 28 627
23.07.2014 697 37 734
24.07.2014 789 37 826
25.07.2014 857 39 896
26.07.2014 924 42 966
27.07.2014 999 46 1045
28.07.2014 1065 47 1112
29.07.2014 1118 56 1174
30.07.2014 1263 59 1322
31.07.2014 1373 59 1432
01.08.2014 1439 66 1505
02.08.2014 1525 66 1591
03.08.2014 1717 67 1784
05.08.2014 1814 67 1881
06.08.2014 1843 67 1910

Quelle: UN Gaza Emergency Situation Reports

Uns fehlen die Worte zu diesem sinnlosen und menschenverachtendem Krieg …, deshalb „einfach“ nur Zahlen.

Februar 2015 „Szenen in Gaza“ –
Ein Reisebericht von Agnes Dudler und Stefan Flegelskamp

Agnes und ich reisten am Karnevalsonntag wieder über den Checkpoint Erez nach Gaza ein. Im November 2014 mussten wir die Reise am letzten Tag vor dem Abflug absagen, da die Sicherheitslage in Gaza zu gefährlich erschien. Die Woche vorher im November war sehr unruhig in Israel und Palästina: Ausschreitungen in Jerusalem am Tempelberg, so dass wir unsere geplante Übernachtung von Jerusalem nach Tel Aviv umbuchen mussten, kurzzeitig war die Grenze nach Gaza geschlossen, und dann wurden wir nachmittags vor unserer Abreise am nächsten Morgen von Bombenattentaten innerhalb Gazas informiert. Maja Hess von Medico International Schweiz, dem verantwortlichen Träger des Projekts, hatte eine Warnung aus Gaza erhalten, die uns sehr verunsicherte.

Es war eine quälend schwere Entscheidung, nicht zu fahren. Aber wir fühlten uns unter diesen Bedingungen nicht stabil genug, den durch den schweren Krieg im Sommer traumatisierten KollegInnen wirklich beizustehen, wenn wir selbst mit Anspannung und Angst kämpfen müssen. Aus langjähriger therapeutischer Erfahrung mit traumatisierten PatientInnen wissen wir, wie wichtig der Umgang mit eigenen Grenzen der Belastbarkeit ist.

Wir hatten die Wahl zu reisen, zumindest bis zur Grenze, oder eben nicht und haben uns schweren Herzens dagegen entschieden. Die Menschen in Gaza haben diese Wahl nicht; sie sind eingeschlossen im größten Gefängnis der Welt.

Die rote Clownsnase sollte der bedrückenden Situation in Erez Crossing etwas entgegensetzen. Dem Wahnsinn versucht man im Rheinland zumindest an Karneval mit Humor zu begegnen, die brutalen Realitäten mit paradoxen Ideen zu beantworten.

Die Einreise stellte diesmal von Israel aus kein Problem dar; an der halb zerbombten Grenze der Hamas lagen zwar unsere „Permits“ noch nicht vor, aber man ließ uns trotzdem durch. So kamen wir pünktlich morgens in Gazastadt an.

Die Gruppe erwartete uns schon mit viel Vorfreude und wir wurden herzlich begrüßt, auch mit Vorwürfen, dass wir im November nicht gekommen sind.

Diesmal stand im Focus der Weiterbildungswoche die psychodramatische Arbeit mit (Tier-) Symbolen in der Einzeltherapie mit traumatisierten Kindern. Uns war bewusst, dass wir diese TherapeutInnen vermitteln würden, die gerade selbst erst einen Krieg überlebt haben.

Jede Trauma-Arbeit zentriert auf Selbststeuerung und Wiedergewinnung von Kontrolle und Selbstwirksamkeit mit dem Ziel, dem Trauma im eigenen Leben eine Bedeutung zu geben.

Große Worte, klasse Theorie, und das Leben geht weiter mit einer Tendenz zur Normalität, auch in Gaza, und kein Mensch wollte jetzt, ein halbes Jahr nach Kriegsende an die letzten Schrecken und frischen Wunden rühren. Weiterleben, weitermachen, weiter … „We are used to it.“ sagen sie in Gaza, „Das war doch normal“ sagten die Kriegs- und Nachkriegskinder bei uns.

Wir haben zerstörte Häuser gesehen und von vielen Toten gehört, aber die allgemeine Stimmung schien fast wie immer, und das hat uns sehr beschäftigt. Im Viertel, in dem wir wohnen und arbeiten, „white city“ genannt weil wohlhabend im Gegensatz zum Betongrau der ärmeren Viertel und der Camps, war wenig vom Krieg zu sehen. Ganz anders sah es in diesen Vierteln aus; zerstörte Betonkästen wirken außerordentlich trostlos. Und mit welch kargen Mitteln die Menschen versuchen, dort trotzdem zu wohnen. Weil nichts anderes da ist, werden fehlende Wände durch Decken oder zum Teil auch nur Pappen ersetzt. Neuer Zement ist anscheinend nur für sehr wenige erhältlich. Viel mehr Menschen schienen arbeitslos; wir wurden zum ersten Mal auf der Straße angebettelt, wobei fast immer andere Passanten freundlich einschritten, um uns zu schützen. Deutlich war die Hoffnungslosigkeit der Menschen nach dem dritten Krieg in wenigen Jahren und keine Hoffnung mehr auf eine Einigung, keine politische Lösung in Sicht. „Vielleicht wird es für die nächste Generation, für unsere Kinder besser.“ bekamen wir öfters zu hören.

In dieser Lage, wie es psychodramatisch heißt, hilft SPIELEN, um wieder Kraft und Zuversicht zu entwickeln.

Zur Erwärmung sollten sich alle TeilnehmerInnen eins der mitgebrachten Tiere (aus Plastik von Schleich) aussuchen und sich im Rollentausch vorstellen. Wir befragten die „Tiere“ nach ihren Stärken und Bedürfnissen. Schnell wurden in den Tierrollen Wünsche nach Wehrhaftigkeit, Sicherheit, Stärke, Zusammengehörigkeit, Schutz und Kontrolle sichtbar.

Im gesamten Verlauf der Woche hat Agnes immer wieder Atemübungen angeleitet und eingeübt, die den TeilnehmerInnen halfen, sich zu entspannen und Kraft im eigenen Körper zu spüren, und die leicht modifiziert auch in der Arbeit mit Kindern angewendet werden können. Diese wurden ergänzt durch spielerische Übungen, die den KollegInnen immer viel Freude machen.

In eindrucksvoller Weise übernahmen die TeilnehmerInnen Kinderrollen von aktuellen Patientinnen. Wenn wir vorher nicht viel Belastendes gehört haben, hier wurde es allen nach 5 Fällen Zuviel und wir brauchten ein kurzes Debriefing.

Anschließend wurden verschiedene psychodramatische Techniken der Einzeltherapie mit Kindern vorgestellt: Teilearbeit, Rollenspiel mit einem Kind, Rollenspiel mit Mutter und Kind und Symbolspiel mit Tieren wurden anhand von aktuellen Fällen demonstriert.

Immer wieder wurden dabei die zentralen Haltungen vermittelt:

  • Folge dem Kind und leite es.
  • Achte die vom Kind gewählten Rollen und Symbole und exploriere sie.
  • Respektiere und würdige die Symptome als Ausdruck der Selbsthilfe.
  • Vertraue der kindlichen Intuition, Lösungen zu finden.

Es wurden zwei Mädchen vorgestellt, deren Verhalten nach dem Krieg zwischen Rückzug und Aggression pendelt. Ein Kind wünschte sich eine Geburtstagsszene als Prinzessin, und der Therapeut sollte als Clown alle zum Lachen bringen. Was für eine grandiose Lösung des Mädchens, endlich wieder Lachen und Freude zu empfinden und im Mittelpunkt zu stehen, nicht Krieg, Trauern und Verlust.

Ein anderes Mädchen, dessen Eltern beide im Krieg umgekommen sind und das jetzt bei einem Onkel lebt, kam als früher sehr soziales Kind in der Schule immer mehr in Schwierigkeiten. Sie wählte einen Jaguar als ihren Anteil, der Probleme verursacht. Den Jaguar im Verlauf des Spiels als schützende Instanz vor Trauer und Schuldgefühlen zu erleben, öffnete einen neuen Weg in der Behandlung des traumatisierten Kindes.

Ausgiebig übte die Gruppe diese Art von Spiel in Untergruppen (TherapeutIn, Kind, BeobachterInnen) mit einer Ernsthaftigkeit und Spielfreude, die uns beim Zuschauen sehr bewegte. Die Rolle der BeobachterInnen war für viele neu und eine Herausforderung, der sie sich mit Interesse und hohem Erkenntnisgewinn stellten. Entlastend erlebten sie, dass nicht sie als TherapeutIn die Lösung finden müssen, sondern das Kind auf seinem Weg dahin begleiten. Wie jedes Mal weckte die Konfrontation mit unserer respektvollen psychodramatischen Haltung den Kindern gegenüber Einsicht und Selbsterkenntnis.

Hochzufrieden klangen die Rückmeldungen am Ende des Seminars; die TeilnehmerInnen fühlten sich persönlich, für den Umgang mit sich selbst und ihren Familien, wie in ihrer Therapeutenrolle gestärkt (Selbstwirksamkeit) und haben viele neue Ideen für ihre praktische Arbeit gesammelt.

Bei aller methodischen Fortbildung gehört es zu unseren wichtigsten Rollen, immer wieder Zeugen zu sein für das, was in Gaza passiert, Kontakt zur nicht erreichbaren Außenwelt herzustellen und den Erschöpften Entspannung und Mut zu ermöglichen, damit sie in Würde weitermachen können. „Psychodrama is our safe place.“

Zurzeit entwickeln wir im Emailkontakt mit der Kollegin Enas Schritt für Schritt ein Programm, das die TeilnehmerInnen in Schulklassen zur Resilienzförderung der Kinder anwenden können. Das nächste Seminar kann erst im November stattfinden; dann wird Dorothea Ensel das erste Mal mit Stefan nach Gaza fahren und unser Team verstärken.

Zurzeit sind wir dabei, für alle TeilnehmerInnen einen kleinen Materialkoffer zum mobilen Einsatz in Ambulanzen, Familien und Schulen zusammenzustellen. Dirk Rossmann (von der Drogeriemarktkette Rossmann) hat uns eine große Menge Schleichtiere gespendet, die noch um einige in Gaza wichtige Tiere ergänzt werden muss. Dazu kommen feste Tücher in mehreren Farben. Diese Anschaffungen werden vom Spendenkonto beim „Förderverein Psychologie und Gesundheit“ bezahlt. Und dann müssen wir sehen, wie das ganze heil nach Gaza transportiert werden kann.

Spenden können Sie weiterhin gerne an:

  • den Förderverein Psychologie und Gesundheit (gemeinnützig und steuerlich absetzbar)
    Konto: 11005, BLZ 370 605 90 bei der Sparda Bank West
    Kennwort „Psychodrama Gaza“

    Spendenbescheinigungen werden jeweils zu Anfang des Folgejahres versandt. Bitte die eigene Adresse auf der Überweisung angeben.

oder an den Träger des Projektes

  • medico international schweiz
    IBAN: CH57 0900 0000 8000 7868 1, BIC/SWIFT: POFICHBEXX
    Stichwort „Psychodrama in Gaza“

    Spenden in die Schweiz sind in Deutschland leider nicht absetzbar.

Mai 2014 „Szenen in Gaza“ –
Ein Reisebericht von Agnes Dudler und Stefan Flegelskamp

Ein neues Projekt in Gaza: Psychodramatherapie mit traumatisierten Kindern

Die Rückmeldungen am Ende des ersten Seminars in „Psychodramatherapie mit traumatisierten Kindern“ im Mai diesen Jahres haben uns sehr berührt. „Ich bin verblüfft, wie wenig es braucht, im Spiel froh zu werden.“ war eine Reaktion. Das stimmt; und so einfach ist es nicht, das zu lernen, auch nicht für unsere so spielfreudigen palästinensischen KollegInnen. Wir hatten zunächst Zweifel, ob diese Kindergruppentherapie ausgerechnet in Gaza anwendbar wäre, wo die TherapeutInnen meist genauso Schlimmes erlebt haben wie die Kinder, mit denen sie arbeiten.

Nach zwei ersten Seminaren im Jahr 2013 haben medico international Schweiz (m.i.s.) und die Partner-NGO das Gaza Community Mental Health Project (GCMHP) ein neues Projekt aufgelegt: eine dreijährige Ausbildung in Psychodramatherapie mit traumatisierten Kindern, an der 19 neue und 6 bereits ausgebildete PsychodramatherapeutInnen teilnehmen. Sie lernen, wie und was man mit traumatisierten Kindern in kleinen Gruppen arbeiten kann.

Symbolspiel, die Sprache der Kinder

Traumatisierte Kinder sind meist sprachlos; für ihre Fassungslosigkeit und ihr Entsetzen haben sie keine Worte. Diese schwer verletzten Kinder kann man verstehen, wenn man tief in ihre Welt eintaucht und ihnen spielend begegnet. Im Symbolspiel, einer kindgerechten Variante des Psychodrama, können sie ihre leidvolle Wirklichkeit auf ihre Weise darstellen und gestalten. Es bietet Schutz vor Überwältigung durch traumatische Erlebnisse. Im Spiel zeigen Kinder eine immense Kreativität; statt einer leidvollen Rolle finden sie lustvolle und angenehme Rollen, in denen sie sich wieder als aktiv gestaltendes Wesen erleben. Es ermöglicht dem Kind genau die Kontrolle, die es für sein Sicherheitsbedürfnis braucht, um sich dem Schrecken nähern zu können und wieder Selbstwirksamkeit zu erleben.

Aufgabe der Therapeuten ist es, im Spiel aus ihren jeweiligen Rollen heraus schützend, wertschätzend und ermutigend heilsam einzuwirken. So kann ich als Farmersfrau meine Enkelin auf den Schoß nehmen, ängstlichen Tieren bestätigen, dass sie klug sind, sich im Nest zu verstecken, kann als Beduinenfrau ein hilfreiches Kamel streicheln, einen verwundeten Piloten pflegen und ihm den Kopf halten. Die TherapeutInnen können im Spiel auch vorübergehend eine Rollenumkehrung zulassen, Kinder als Täter, Therapeuten als Opfer, um dann eine konstruktive Lösung zu finden jenseits der Opfer-Täter-Spirale.

Diese Art Symboldrama hat der deutsche Psychologe und Psychodramatiker Alfons Aichinger1 über Jahrzehnte entwickelt, dessen Schüler und Mitarbeiter Stefan Flegelskamp ist. Unsicher, ob diese in Europa erprobte Kindergruppentherapie in Gaza Sinn macht, wurden wir nach den ersten Erfahrungen darin bestärkt. Gerade die mit Kindern arbeitenden KollegInnen geraten immer wieder an ihre Grenzen und sind es müde, dass die Kinder meistens Israelis gegen Palästinenser spielen wollen, wobei es nur Gewinner und Verlierer gibt.

Was sagen uns die symbolischen Rollen

Themen und Rollenwahlen lassen schnell verstehen, wie die Mitspielenden ihre Situation in Gaza erleben. Rollenwahlen als schutzbedürftiges Tier im Haus der Farmer, als wehrhafter Farmbesitzer mit Jeep und Gewehr oder als König der Tiere im Urwald sind Beispiele für Wunschrollen. Diese Rollen drücken Freiheitswünsche aus: wildes Pferd, Tiger, Kapitän, Pilot oder Delphin. Als Therapeuten reagieren wir darauf, was die Kinder in bedürftigen Rollen brauchen oder sie lassen uns erleben, was sie an Schrecken, Scham und Überforderung erlitten haben.

Unter wiederkehrenden Traumatisierungen über Generationen wie in Gaza werden viele Symptome alltäglich und fallen nicht mehr auf. Da ist unser Blick von außen aus einer anderen Kultur durchaus hilfreich um zu verstehen, welche Not sich im Symbolspiel zeigt. Wir waren verblüfft und erschrocken, mit welch aggressiver Härte ein eher sanfter Mann in der Rolle des Farmdirektors den Farmer abstrafte und demütigte, weil er auf seine Tiere nicht gut genug aufgepasst hatte. Im Spiel wurde die Verzweiflung der Eltern, ihre Kinde nicht schützen zu können, ebenso wie die Fassungslosigkeit und Wut der Kinder darüber, die normalerweise verdrängt werden, zugänglich.

„Das hilft 100 x 100 Kindern, was wir hier tun!“

In unseren Seminaren arbeiten wir nicht direkt mit Kindern, sondern mit KindertherapeutInnen und PädagogInnen. Die Herausforderung für sie ist es, sich an sich selbst als Kind zu erinnern und in den gewählten Rollen selbst zu erleben, wie das Symbolspiel wirkt. Unsere Teilnehmenden sind experimentierfreudig, sie probieren sofort zuhause mit ihren Kindern, ob das Gelernte funktioniert. „Ich habe meinen Sohn lange nicht mehr so begeistert erlebt, wie als wir gestern Abend Löwen gespielt haben.“ erzählt ein Vater. „Die Kinder haben uns gefragt, wann wir wiederkommen.“ berichtet eine Therapeutin erstaunt und stolz. Dabei hat die Ausbildung gerade erst angefangen und geht über drei Jahre. Auch danach wird Supervision untereinander und gelegentlich durch uns nötig sein.

Ein Qualitätsmerkmal dieser Psychodramaausbildung ist die personelle Kontinuität über lange Zeit. Die beiden Schweizer Kolleginnen Ursula Hauser und Maja Hess haben in mehr als 10 Jahren die erste Gruppe von PsychodramatikerInnen dort ausgebildet und die Grundlagen für weitere Arbeit gelegt. Dieses verbindliche Engagement schafft tiefes Vertrauen und Dankbarkeit und scheint heilsam in sich zu sein. Das ist nur verständlich, herrscht doch eine verbreitete Angst, von der Welt vergessen zu werden.

In Würde weiterleben

Ob die Menschen in Gaza allerdings unter so dramatischen Umständen ins Gedächtnis der Welt zurückkommen wollen, wie es zur Zeit geschieht (Ende Juli 2014), ist mehr als fraglich. Die Sehnsucht nach einem normalen Leben ist groß. Unserer Arbeit in Gaza scheint Hoffnung und Mut zu stiften, in Würde weiterzuleben; das wird auch im Moment immer wieder als Ziel genannt gleich nach dem Wunsch, überhaupt zu überleben. Wir haben großen Respekt vor unseren KollegInnen dort, die nicht aufgeben in ihrem Einsatz für mehr Mitmenschlichkeit, gegen Gewalt und Depression. Wir betrachten es als Privileg, dabei hilfreich sein zu können.

„Ich bin groß und nützlich für viele, ich spende Schatten, und ich gebe meine Früchte sogar denen, die mich mit Steinen bewerfen.“ (eine Teilnehmerin)

Photos: © Peter Dammann / Agentur Focus

1 Aichinger, Alfons und Holl, Walter: (2010, 2. Auflage). Psychodrama – Gruppentherapie mit Kindern. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Alfons Aichinger/ Walter Holl, (2010/20111): Kinder-Psychodrama in der Familien- und Einzeltherapie, im Kindergarten und in der Schule. Überarbeitete Neuauflage in 2 Bänden. VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Herbst 2013 „Szenen in Gaza“ –
Ein Reisebericht von Stefan Flegelskamp

Von einem Psychodrama-Workshop in der Westbank, einem freudigen Wiedersehen, dem wiederum veränderten Gesicht von Gaza-Stadt und der Szenen Institut-Zertifizierung ausgebildeter Psychodramatikerinnen.

Auf unserer dritten Reise haben sich die Eindrücke, das Kinderpsychodrama in der arabischen Welt und Tradition vorzustellen, verdichtet. Aber auch die schwierige Situation der Palästinenser in Gaza und der Westbank wurden für uns auf unserer dritten Reise immer deutlicher spürbar.

Die Westbank lernt das Psychodrama kennen

Ben Rivers vom Freedom Theatre Jenin hatte von unserem Engagement in Gaza gehört und bat uns, einen Workshop in Jenin zu veranstalten, um auch dort tätigen PsychotherapeutInnen und PädagogInnen spielerisch die Psychodramagruppentherapie mit traumatisierten Kindern vorzustellen.

Und so fing diesmal unsere Reise in der Westbank an. Dieses von den Israelis weiträumig begrenzte und überwachte Gebiet ließ nicht direkt das Gefühl eines großen Gefängnisses entstehen, wie es im Gazastreifen der Fall war. Das Freedom Theater ist ein großartiges Projekt, gegründet und geleitet von charismatischen Menschen, die in der Kultur eine Antwort auf die Gewalt finden.

Männer weinen nur, wenn es regnet

Während unseres eintägigen Workshops fiel mir ein eher skeptischer Teilnehmer auf, er arbeitete in einer Klinik in leitender Position therapeutisch mit Kindern. Die Anwärmübungen machte er mit latentem Widerstand mit und nach der theoretischen Einführung wollte er endlich praktisch spielen.

Wir wollten den Beginn einer Kindergruppe inszenieren und suchten „Kinder“ für das bekannte Bauerhofspiel. Er meldete sich direkt und wollte einen Tiger spielen. Darauf intervenierte ich, dass es einen Tiger auf einem Bauernhof eigentlich nicht gibt und auch für die anderen Tiere (Kinder) eine zu große Bedrohung darstellt. Aber er ließ sich nicht abhalten diese Rolle zu spielen, war aber bereit, nur ein kleiner Tiger zu sein und er wollte nur auf einem Baum leben.

Im Spielverlauf versuchte ich mehrmals, in der Bauern-Rolle Kontakt mit ihm aufzunehmen, aber er reagiert gar nicht auf mich. Als Spielleiter fragte ich ihn dann mehrmals, ob ich ihn sehen könnte, aber er verneinte dies und blieb „unbeachtet“ auf seinem Baum sitzen.

In der Reflektion kamen ihm fast die Tränen und er beschrieb Lebenssituationen, in denen er ständig als bedrohlich erlebt wird, auf der Arbeit, in der Familie und als Palästinenser, aber er selber hat den Eindruck, dass seine Wirklichkeit gar nicht gesehen wird. Nach einem arabischen Sprichwort weinen Männer nur, wenn es regnet, damit man die Tränen nicht sieht – und es regnet so gut wie nie in Palästina. Der Mann hat mich tief beeindruckt, dass es ihm durch das Spielen in Kinderrollen und in einer Symbolwelt möglich war, auch belastende Gefühle zu zeigen. Er bedankte sich mehrmals und sagte, er fühle sich geehrt, so gesehen worden zu sein, was wiederrum mich fast zu Tränen rührte.

Gaza ist heute noch abhängiger von der Versorgung durch Israel

Noch am selben Tag sind wir mit dem Taxi ca. 150 km bis kurz vor die Grenze nach Gaza gefahren, um dort am nächsten Morgen möglichst früh einreisen zu können. In Gaza war direkt wieder eine veränderte Stimmung zum unserem Maibesuch spürbar. Ein erster Eindruck war, dass es überall nach Diesel oder verbranntem Heizöl roch. Durch die veränderte Situation in Ägypten haben die Militärs fast alle Versorgungtunnel zerstört und auch Ausreisen über Ägypten sind für Palästinenser fast nicht mehr möglich; Gaza ist jetzt fast abgeschlossen und noch mehr von Israel abhängig. Die regierende Hamas hat den Kontakt zu den sympathisierenden Moslembrüder in Ägypten verloren und somit ihren größten Unterstützer. Es gibt zwar noch alle Waren in Gaza, aber z. B. der Dieselpreis hat sich verdoppelt und die letzte Ausreisemöglichkeit ist versperrt, was das Gefängnisgefühl und die Ausweglosigkeit für viele in Gaza fast unerträglich werden lässt.

Ein Psychodrama-Institut für Gaza

Unser letzter Workshop im Mai hat in Gaza sehr positive Spuren hinterlassen. Unser Frage, ob dieser spielerische, erlebnisorientierte und psychodramatische Therapieansatz angenommen wird, wurde mit einem klaren JA beantwortet. Zusammen mit der örtlichen Hilfsorganisation wurde ein Plan für die nächsten drei Jahre erarbeitet, der zum Ziel hat, sowohl Psychodramakindertherapeuten auszubilden als auch eine psychodramatische Selbsterfahrungsgruppe zu bilden, die die Basis für ein eigenständiges palästinensische Ausbildungsinstitut darstellen kann.

Unser Traum, palästinensische KollegInnen dabei zu unterstützen, vielleicht in 3 bis 5 Jahren, ein eigenständiges palästinensisches Psychodramainstitut in Gaza zu gründen, zeigt Konturen.

Langjährige Unterstützung ist selten

Besonders beeindruckt hat mich diesmal in Gaza nicht unsere psychodramatische, inhaltliche Arbeit und deren Auswirkungen, sondern die Reaktion der Menschen auf unsere Rückkehr und Wiedersehen. „Ihr seid die einzigen Ausländer, die wir kennen, die wiederkommen und sich für uns interessieren!“ Nach unserem Eindruck sind viele Hilfsorganisationen in Gaza tätig, aber dass Kolleginnen wie Maja und Ursula über viele Jahre hinweg kommen und unterstützen ist sehr selten.

Wir sahen die „Maigruppe“ wieder und stellten ihnen diesmal das Erwachsenenpsychodrama vor, was auf Grund der Emotionalität den Männer sichtlich schwer fiel. Ein „einfacher“ Rollenwechsel mit einer positiven Person aus der Kindheit stieß auf Widerstand und wurde als „Frauenübung“ bezeichnet, da „zu viele Gefühle“, auch positiver Qualität, bei den Rollenwechseln entstanden.

Szenen Institut-Zertifizierung für palästinensische Psychodramatikerinnen

Im Anschluss arbeiten wir supervisorisch mit den „fertigen“ Psychodramatikerinnen, die Ursula und Maja ausgebildet haben. Dabei wurde deutlich, wie belastend die Kolleginnen ihre Arbeit in Gaza erleben und wie notwendig auch weiterhin eine Unterstützung durch Ursula und Maja ist. Mit Stolz und großer Freude konnten wir in einer kleinen Feierstunde den ausgebildeten Psychodramatikerinnen Zertifikate des Szenen Institutes überreichen. Wir haben die Qualität der Weiterbildung geprüft, die psychodramatischen Fähigkeiten der Absolventinnen live erleben und supervidieren dürfen und sind zu der Überzeugung gekommen, dass in Gaza Psychodramatherapeutinnen vergleichbar mit europäischen Standards ausgebildet wurden.

Anstrengende Reise, zermürbende Situation

Wir haben dieses Mal die Reise als anstrengend erlebt, was vielleicht auch dem hartnäckigen Magen- und Darm-Infekt geschuldet ist, der uns zum Ende ereilte. Aber wie schon am Anfang erwähnt, die Eindrücke verdichten sich und die Ausweglosigkeit ließ uns sehr wütend werden. Im Flugzeug, nach vielen, als zum Teil unwürdigen erlebten Kontrollen. Bei der Ausreise hörte ich einer Reisegruppe zu, die Israel besucht haben und überglücklich zurückkehrten aus dem „Holly Land“. Wir haben, fast wie in einer Parallelwelt, etwas ganz anderes in Palästina erlebt und ich hatte große Mühe die Reisegruppe nicht mit meinen Bildern von Israel zu konfrontieren.

Mai 2013 „Szenen in Gaza“ –
2. Reisebericht von Stefan Flegelskamp

Psychodramakindertherapie mit kriegstraumatisierte
Kindern aus Gaza

„Ein Kind macht die ernsthaftesten Sachen, indem es spielt!“ Dies hatte schon Rousseau in Emile oder über die Erziehung erkannt. Aber auch palästinensische Erwachsene in den Rollen spielender Kinder haben uns die Dramatik und Tragödie der israelischen Besatzung des Gazastreifens und deren Auswirkungen auf die dort lebenden Kinder spielend spüren lassen.

Aber beginnen wir am Anfang unserer Reise oder noch etwas davor. Nach unseren Erfahrungen vom letzten Jahr und der ersten Reise nach Gaza (siehe Bericht 2012) stand für Agnes und mich fest, wir kommen wieder und engagieren uns dort. Leider muss im November 2012 eine Reise von Agnes und Gabriele Stiegler nach Bombardierungen und militärischen Angriffen abgesagt werden.

Agnes‘ und meine Einreise nach Israel und auch in den Gazastreifen verlief diesmal relativ problemlos. Nach einem Jahr Abwesenheit wirkt Gaza auf uns deutlich verändert. Mehr neue Autos, sauberere Straßen, auch Luxusgüter in den Geschäften, aber auch mehr verschleierte Frauen und mehr Milizen auf den Straßen, auf denen es für mich immer noch keinerlei Verkehrsregeln zu erkennen gibt.

Leider hatte es im Vorfeld unserer Reise einige Unklarheiten in den Absprachen unter den beteiligten Hilfsorganisationen gegeben, sodass unser Seminar auf drei Tage gekürzt wurde. Die TeilnehmerInnen des Workshops setzten sich aus „unseren“ von Ursula und Maja ausgebildeten Psychodramaleiterinnen und jungen Studentinnen und Studenten in der Ausbildung zu Medical-Health-Workern zusammen.

Mit Begeisterung und Spielfreude startete die Gruppe mit dem europäischen Kinderspiel „Das Eichhörnchen“ und setzten sich danach zum weiteren Warm-up mit eigenen Lieblingskinderspielen und -helden auseinander.

Traumatisierte Kinder verlieren im Spiel ihre Sprachlosigkeit

„Das Spiel ist die Sprache der Kinder.“ Mit diesem Satz begann ich eine kurze theoretische Einführung ins Kinderpsychodrama. Nicht mittels Gesprächen sondern mit Handlungen versuchen Kinder die Welt zu begreifen. Die spielerische Möglichkeit des „So-tun-als-ob“ eröffnet im wahrsten Sinne des Wortes neue Spielräume: Die Kinder erleben sich als Neuschöpfer und bringen die Welt in ihre Ordnung.

Eine Traumatisierung in frühen Lebensjahren bedeutet immer die Gefahr von Entwicklungsblockierung und Fehlentwicklung im Sinne einer notdürftigen Traumakompensation. Die Ganzheitlichkeit des Spiels, die Einbeziehung aller Sinne und des ganzen Körpers und die dem Spiel innewohnende Ressourcenhaftigkeit ermöglicht, blockierte emotionale, soziale, kognitive und körperliche Entwicklungen wieder in Bewegung zu bringen und das erschütterte Welt-und Selbstbild des Kindes zu rekonstruieren.

Gerade bei komlextraumatisierten Kindern herrscht oft Sprachlosigkeit vor, für das erlebte Entsetzen haben sie keine Worte. Um diese verletzten Kinder verstehen zu können, muss man tief in ihre Welt eintauchen und ihnen spielend begegnen. Das Symbolspiel ist (bis 12 Jahre) ihre Sprache. Im Symbolspiel können sie ihre leidvolle Wirklichkeit auf eine kindgerechte Weise darstellen, aneignen und gestalten. Es bietet Schutz vor der Überwältigung durch traumatische Erlebnisse.

Im Symbolspiel ist eine immense Kreativität der Kinder zu beobachten, in einer leidvollen, unangenehmen Situation das Lustvolle, das Angenehme herauszuholen und sich als aktiv gestaltendes, die Geschehnisse im Griff habendes Wesen zu erleben. Es ermöglicht dem Kind genau die Kontrolle, die es für sein Sicherheitsbedürfnis braucht, um sich dem Schrecken nähern zu können und wieder Selbstwirksamkeit zu erfahren.

Das Spiel zeigt, wie es den Familien in Gaza geht

Soweit die kurze theoretische Einführung…Unsere Auftrag für dieses Seminar war nun Palästinensischen TherapeutInnen und StudentInnen eine Einführung ins Kinderpsychodrama zu vermitteln, unter der besonderen Berücksichtigung der dauerhaften Kriegstraumatisierung alle Menschen in Gaza.

Schon das erste Spiel mit beziehungsstiftender Grundidee endete in der Reinszenierung eines typischen Gaza-Themas.„Warum hast Du meine Tiere nicht geschützt?“ war der massive Vorwurf des Farmbesitzers an mich als Bauern, da ich in der Rolle abwesend war, als die Tiere von einem Löwen angegriffen wurden. Deutlich wurden die Selbstvorwürfe der Erwachsenen in Gaza, ihre Kinder nicht vor den Angriffen schützen zu können. Schuldgefühle konnten in der Nachbesprechung thematisiert werden und die SeminarteilnehmerInnen formulierten ihre Scham des erlebten Versagens und Unterliegens.

Auf Wunsch der TeilnehmerInnen fand im zweiten Spiel das Thema internalisiertes Trauma seinen Platz auf der Bühne. In einer reinen Mädchengruppe spielten die Mädchen erwachsenen Frauen, die sich zum Kaffeetrinken gegenseitig besuchen. Agnes und ich sollten ihre etwas frechen Kinder spielen. Grundtenor des Spiels war die unterdrückte Lebendigkeit. Wir Kinder hatten zwar einen hohen Stellenwert in der Familie, mussten aber dafür sehr braves und angepasstes Verhalten an den Tag legen und bei Fehlverhalten wurden uns Vorwürfe gemacht, Schuldgefühle erzeugt und strenge Wiedergutmachung eingefordert.

Mädchen sein in Gaza bedeutete in diesem Spiel Anpassung und das Vermeiden von Gefühlen mit dem Preis der nicht gelebten Lebendigkeit. Diese Erkenntnisse ließen die palästinensischen teilnehmenden Mütter und angehende Medical-Health-Worker erschrecken und eine emotionale Diskussion entstand über die aktuelle Situation der Kinder in den Familien. Aber auch Agnes wurde als Nachkriegsgenerationskind mit der eigenen und wir gemeinsam mit der deutschen Geschichte konfrontiert, was in langen Erzählungen in den Abendstunden beim Abendessen ausklang.

Im dritten Spiel wurden wir Zeuge eines „typischen“ Jungenkriegsspiel: Israelische Soldaten inhaftieren palästinensische, Steine werfenden Kindern unter den Augen von hilflosen ausländischen Beobachtern. Den Kindern gelang es in diesem Spiel durch einen einfachen Rollenwechsel die erlebte Ohnmacht der realen Situation abzuwehren. Die Interventionen der Therapeuten in der Rolle der palästinensischen Kinder ermöglichten, dem erlebten Grauen der Intifada eine Stimme und einen Ausdruck zu geben.

Diese deutlich gewordene, lebendige Angst war für uns kaum auszuhalten, gerade weil sich in diesem Workshop auch junge Studenten und Studentinnen befanden, die diese oder ähnliche Szenen am eigenen Leibe erlebt haben.

Zusammen Gaza eine Psychodramatische Perspektive geben

Die Gruppe schloss mit einem tiefen gegenseitigem Gefühl der Dankbarkeit und Wertschätzung und mit der Frage: „Wie geht es jetzt weiter?“

Um diese Frage zu klären sind Agnes und ich im Juli nach Zürich gereist, um mit allen Beteiligten von Medico International Schweiz über die Zukunft unserer Tätigkeit in Gaza zu diskutieren. In der Zwischenzeit hat die kooperierende palästinensische Hilfsorganisation Gaza Community Mental Health Programm GCMHP um Unterstützung gebeten, Psychodrama-KindertherapeutInnen weiterzubilden, um der kollektiven Traumatisierung der Kinder etwas entgegen setzen zu können.

Wir freuen uns, dass das Szenen Institut für Psychodrama in enger Kooperation mit Medico International Schweiz im nächsten Jahr eine Weiterbildungsgruppe in Gaza anbieten wird und dort in den nächsten drei Jahren Psychodrama-KindertherapeutInnen ausbilden wird.

Wir danken dem Deutschen Fachverband für Psychodrama DFP für die finanzielle Unterstützung bei den Reisekosten und meiner Schwester Andrea von Merveldt fürs die Unterstützung Spenden zu akquirieren.

Für dieses Projekt brauchen wir finanzielle Unterstützung und bitte um Spenden beim

Förderverein Psychologie und Gesundheit NRW e.V.
Stichwort: Gaza
KTO: 11005
BLZ 37060590 bei der Spada Bank West

Wir hoffen auf Ihre Hilfe

Juli 2012 „Szenen in Gaza“ –
Ein kurzer Reisebericht von Stefan Flegelskamp

Der Flug von Frankfurt am Main nach Tel Aviv war die erste Etappe, um nach Gaza, diesen unwirtlichen Landstrich, der zwischen Ägypten und Israel dicht ans Mittelmeer gedrängt liegt, zu gelangen. Die direkte Einreise in den Gazastreifen am Grenzübergang Eriz ist nochmal eine eigene Geschichte, die die innerdeutsche Vergangenheit wachruft. Doch die Reise beginnt früher:
In der ersten Mai-Woche 2012 haben Agnes Dudler und ich die Pychodramatikerin und Psychoanalytikerin Ursula Hauser und Maja Hess, Ärtzin und Präsidentin von Medico International Switzerland in den Gazastreifen begleitet und sie bei ihrer dortigen Arbeit unterstützt. Auf der Fepto-Konferenz 2011 in Israel warben beide um internationale Unterstützung bei der Psychodrama-Weiterbildung von palästinensischen Psychotherapeuten im Gazastreifen. Die schon früher im Szenenrat entwickelte Zukunftsvision, in internationalen Hilfsprojekten psychodramatisch tätig zu werden, konnte plötzlich real und lebendig werden. Also zögerten Agnes und ich nicht lange und sagten unsere Unterstützung zu.

Ursula und Maja haben zehn Jahre lang in Gaza Psychodramatherapeuten ausgebildet und 2008 erfolgreich graduiert. Die neuen arabischen Psychodramakollegen und -kolleginnen brauchen nun Supervision und Unterstützung, vielleicht sogar beim Aufbau eines eigenen arabischen Institutes.

„You are welcome!“

Wie oft habe ich diesen Satz in der Woche gehört, fast schon beschämend, wenn ich bedenke, wie wir mit Fremden umgehen. Die herzliche Gastfreundschaft, die uns überall in Gaza entgegen gebracht wurde, hat mich fasziniert.

In der Vorbereitung auf die Reise haben wir mit Protagonistenarbeiten mit schweren traumatischen Inhalten gerechnet. Die Realität war eine andere. Wir wurden Zeugen von palästinischen Psychodramatherapeutinnen, die uns zeigten, wie sie psychodramatisch mit der Samuoni Familie arbeiten. Diese in Gaza sehr bekannte Familie hat bei der letzten Intifada über 30 Menschen verloren.

„Free man – Gentleman“

stand auf dem T- Shirt eines jungen Mannes, als wir tief beeindruckt das Haus der Familie Samuoni verließen. Nach dem Verlust so vieler Familienmitglieder hätte ich eher mit Hassparolen oder ähnlichem gerechnet, aber ich fragte mich auch, wer arbeitet mit den Männern der Familie?

Die Kolleginnen haben eine ressourcenorientierte Reise nach Mekka inszeniert und 20 muslemische Frauen sind psychodramatisch mitgereist. Dieses Bild werde ich wohl nicht mehr vergessen.

In der ersten Supervisionsanfrage der Gruppe wurden traumatisierte Kinder und die erlebte Ohnmacht der Therapeuten in der Arbeit mit ihnen dargestellt. Glücklicherweise betraf diese Problematik mein Spezialgebiet, die Gruppentherapie mit traumatisierten Kindern. Schnell konnten einige Grundzüge von der in Deutschland von Alfons Aichinger entwickelten Methode angespielt und verdeutlicht werden. Mit dem Ergebnis und der Verabredung, im nächsten Jahr ein Kinderpsychodramaworkshop in Gaza anzubieten, da viele Kinder immer wieder Krieg, Märtyrer und Helden spielen wollen.

„We go ahead“

Wir machen weiter, sagten uns die Menschen dort immer wieder, auch wenn die Aussichten ungewiss und trübe sind.
Wir auch! Agnes reist im November mit Gaby Stiegler in den Gazastreifen zur Supervision der Gruppe, Ursula und Maja sind im Frühjahr wieder da und ich im Frühsommer. Damit wollen wir verdeutlichen, dass die neuen palästinensischen KollegInnen Teil einer psychodramatischen Gemeinschaft sind. Wir danken dem DFP für die finanzielle Unterstützung bei den Reiskosten. Ein kurzer Film ist im Schweizer Fernsehen zu unserer Reise erschienen.

Einige Eindrücke aus Gaza

Agnes und Stefan durch die Sicherheitszone nach Gaza unterwegs

Einführung ins Kinderpsychodrama

in Gaza City am Strand mit Ursula Hauser und Maja Hess

  

wohl die erste Einführungs ins PD auf Arabisch –

und die Autorin Enas, mental health worker beim Gaza Mental Health Center und begabte Psychodramatikerin

 

Psychodrama follow up mit den Frauen einer 2008 schwerst traumatisierten Familie, mit denen Enas und Ensharah aus der Gaza PD-Gruppe knapp zwei Jahre lang gearbeitet haben, teils im Zentrum, teils, wie hier, im Wohnraum einer der (Groß-)Familien. Wir konnten diese Sitzung miterleben. Sie haben ihre Lebensfreude wiedergewonnen und sagen: dank Psychodrama. Der Hocker mit dem Gebetsteppich symbolisiert die Kaaba in Mekka. Dahin sind im Spiel alle gepilgert, teils kichernd, teils sehr bewegt.

  • SIMKI e. V. Sächsisches Institut für methodenübergreifende Kinder- und Jugendpsychotherapie an der Hochschule Mittweida
  • WIPS – Weiterbildungsinstitut Psychotherapie Saarbrücken GmbH an der Universität des Saarlandes
  • Kibbutzim College of Education -Technology and the Arts, Tel Aviv
  • WIAP – Wiesbadener Akademie für Psychotherapie, Wiesbaden
  • Helsinki Psychodrama Institute / Istry Oy, Finnland
  • New Bulgarian University, Sofia
  • HIRON – Psychodrama Institut Sofia
  • Agnes Dudler
  • Moreno Institut Stuttgart
  • Moreno Institut Ebenkoben/Überlingen
  • DFP– Deutscher Fachverband für Psychodrama
  • FEPTO – Federal European Psychodrama Training Organisation
  • Rhein Mosel Akademie Andernach
  • SKM – Sozialdienst kath. Männer Köln e. V.
  • Bildungswerk Aachen
  • Psychodrama-Netz

2011 hat das Institut seinen Hauptsitz von Bonn nach Köln verlegt. Direkt am Barbarossaplatz im Herzen Kölns wurde der neue Seminarraum eingerichtet und lädt mit seinen satten Farben zur Teilnahme an Seminaren ein.

Die WB 9

Die WB 10/11 –
Neue Psychodramaleiter/innen!

Sehr geehrte KundInnen, DozentInnen und Interessierte,

das Szenen ist sehr an einer stetigen Verbesserung interessiert.

Sie finden etwas auf der Homepage nicht? Sie haben sich geärgert oder über etwas besonders gefreut?
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